Die Rolle des CFO hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Und zwar dramatisch. Heute agiert ein CFO nicht mehr nur als Verwalter der Finanzen, sondern als strategischer Partner, der tief in die digitale Transformation eines Unternehmens eingebunden ist. Der Umbruch ist so groß, dass er seinen eigenen Namen trägt: Finance Transformation. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Welche Rolle soll ein CFO übernehmen? Diese Entscheidung ist stark abhängig von der spezifischen Ausrichtung und auch der Größe des Unternehmens. Große Beratungsunternehmen wie Deloitte, EY oder Accenture sprechen diesbezüglich von einem Target Operating Model im Finanzwesen – kurz TOM. TOM dient als Leitlinie, um Finanzfunktionen holistisch in den Unternehmenskern einzuarbeiten und es so wirksam und zukunftsfähig zu gestalten. Ein Prozess, der schon mal 10 Jahre dauern kann und zwischendurch immer wieder korrigiert werden muss aufgrund der Unberechenbarkeit unserer wunderbaren VUCA-Welt.
Allein dieses Thema würde natürlich den Rahmen unseres Beitrages sprengen. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Artikel auf vier wesentliche strategische Schlüsselbereiche, die den modernen CFO auf die digitale Zukunft vorbereiten: Automatisierung & Digitalisierung von Finanzprozessen, Datenanalyse & Echtzeit-Reporting, Cybersecurity & Datenschutz sowie strategische Führung & Change Management. Diese Schwerpunkte sind unverzichtbare Bausteine, um als CFO nicht nur die eigene Abteilung, sondern das gesamte Unternehmen erfolgreich durch die Herausforderungen der digitalen Transformation zu führen.
Digital Finance meets Digitalisierung im Finanzwesen
Klären wir zunächst zwei naheliegende Begriffe:
“Digital Finance" bezieht sich auf den Einsatz digitaler Technologien, um Finanzprozesse effizienter und agiler zu gestalten. Es umfasst den Einsatz von Datenanalyse, Automatisierung, künstlicher Intelligenz und anderen digitalen Tools, um Echtzeit-Einblicke zu ermöglichen und fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen.
"Digitalisierung im Finanzwesen" beschreibt den breiteren, fortlaufenden Prozess der Transformation von Finanzfunktionen und -prozessen durch digitale Technologien. Während "Digital Finance" ein Teil dieser Digitalisierung ist, bezieht sich die Digitalisierung im Finanzwesen auch auf Veränderungen in Strukturen, Strategien und Geschäftsmodellen.
Zusammengefasst: Digital Finance ist ein spezifischer Ansatz innerhalb des umfassenderen Konzepts der Digitalisierung im Finanzwesen, der sich auf die Anwendung digitaler Tools und Technologien konzentriert, um Finanzprozesse zu optimieren.
Digitalisierung und Automatisierung von Finanzprozessen
Technologien wie Robotic Process Automation (RPA), künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und Process Mining bieten enorme Potenziale, um repetitive Finanzaufgaben zu automatisieren. Dies verbessert die Effizienz und verringert auch menschliche Fehler. Der wesentliche Vorteil ist jedoch, dass CFOs und Finanzabteilungen mehr Zeit haben für strategische Entscheidungen, anstatt sich in manuellen Prozessen zu verlieren. Und diese Zeit brauchen sie auch.
Eine Automatisierung erlaubt schnelle Reaktionen auf veränderte Marktbedingungen. Entscheidungen basieren zunehmend auf Echtzeitdaten, die sofort zur Verfügung stehen. Anstatt die finanziellen Grundlagen manuell aufzubereiten, können sich CFOs auf die Frage konzentrieren: Wie nutzen wir die verfügbaren Ressourcen am effizientesten?
Deloitte unterstreicht die Rolle digitaler Prozesse, um die Ressourcen im Finanzbereich effektiver einzusetzen und gleichzeitig Kosten zu reduzieren. Automatisierung bringt außerdem eine verbesserte Datenverarbeitung mit sich, was das Erkennen von Trends (Forecasting) erleichtert und vorausschauendes Handeln möglich macht.
Natürlich reicht es nicht aus, nur neue Technologien zu integrieren. Organisationen müssen sicherstellen, dass diese auch richtig eingesetzt werden. Hierzu gehört, die Mitarbeitenden zu schulen und sicherzustellen, dass jeder die neuen Werkzeuge effizient nutzt. Auch wenn Self-Services auf dem Vormarsch sind (Self-Services ermöglichen Nutzern, Finanzberichte eigenständig per App oder Chatbot zu erstellen), müssen alle Beteiligten – inklusive eines CFO – ständig ihr technisches Wissen erweitern.
Datenanalyse und Echtzeit-Reporting: Die Rolle von FP&A
Die moderne Finanzwelt bedeutet, Daten in Echtzeit zu analysieren und in umsetzbare Erkenntnisse umzuwandeln. Finanzplanung und Analyse (FP&A) ist dabei ein entscheidender Bestandteil, der dem CFO hilft, die Unternehmensleistung nicht nur retrospektiv zu bewerten, sondern auch vorausschauend zu planen. FP&A stellt sicher, dass CFOs und Führungskräfte fundierte Entscheidungen treffen können, basierend auf präzisen, aktuellen Daten und Analysen.
FP&A kann als Set von verbundenen Prozessen zur Maximierung der Rendite verstanden werden. Hierunter fallen Planung, Forecasting, Szenario-Modellierung, Budgetierung oder Leistungsberichte.
Ein gut aufgestelltes FP&A-Team ist die Verbindung zwischen dem Finanzbereich und den operativen Einheiten eines Unternehmens. Es übersetzt finanzielle Daten in handlungsrelevante Informationen und bietet eine Grundlage für strategische Entscheidungen, von der Budgetplanung bis zur Performance-Bewertung. Durch den Einsatz moderner Datenanalyse-Tools und automatisierter Systeme kann FP&A in Echtzeit Berichte liefern, die tiefe Einblicke in die aktuelle Lage des Unternehmens geben.
Wie FP&A dem CFO hilft
FP&A bietet CFOs die notwendige Transparenz und Klarheit über die finanziellen und operativen Kennzahlen des Unternehmens. Dank fortschrittlicher Datenanalysen und Forecasting-Modelle hilft FP&A dabei, zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren und frühzeitig Risiken zu erkennen. CFOs können so die Unternehmensstrategie anpassen und sicherstellen, dass finanzielle Ziele erreichbar bleiben.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Rolle von FP&A als zentraler Ansprechpartner für alle finanziellen Fragen im Unternehmen. Die Fähigkeit, relevante Informationen aus verschiedenen Abteilungen zusammenzutragen und in einem konsistenten Finanzbericht zu verdichten, sorgt für eine kohärente und transparente Entscheidungsbasis. Dies fördert nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens, sondern erhöht auch die Effizienz in der Kommunikation mit anderen Führungskräften.
FP&A als Schnittstelle im Unternehmen
FP&A ist weit mehr als ein rein finanzwirtschaftlicher Bereich. Es fungiert als Verbindungsglied zwischen Finanzabteilung und operativen Abteilungen, indem es Informationen über Markttrends, Produktionsdaten oder Kundenverhalten sammelt und auswertet. Dies ermöglicht es dem gesamten Unternehmen, datengestützte Entscheidungen zu treffen, die die strategische Ausrichtung verbessern. Ob es um Investitionen, Kostenoptimierung oder Wachstumsprojekte geht – FP&A unterstützt dabei, die finanzielle Gesundheit des Unternehmens zu überwachen und frühzeitig Anpassungen vorzunehmen.
Cybersecurity und Datenschutz
Mit der zunehmenden Digitalisierung wächst das Risiko für Cyberangriffe – besonders im Finanzsektor, wo hochsensible Daten auf dem Spiel stehen. Die Komplexität und Häufigkeit dieser Bedrohungen nehmen ständig zu. Für den modernen CFO bedeutet dies eine deutliche Ausweitung der Aufgaben: Finanzabteilungen müssen nun auch sicherstellen, dass die Cybersecurity-Strategien umfassend und wirksam sind.
Die Bedrohung in der Praxis: Mehr als nur technisches Versagen
Cyberangriffe sind vielschichtige Gefahren, die weit über den Diebstahl von Daten hinausgehen. Angriffe wie Ransomware-Attacken, bei denen Unternehmen für den Zugang zu ihren eigenen Daten erpresst werden, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies betrifft nicht nur die IT-Sicherheit, sondern auch direkte finanzielle Verluste und womöglich den Stillstand eines Unternehmens. Wolters Kluwer hebt hervor, dass CFOs die enge Verbindung zwischen Cybersecurity und Finanzstabilität erkennen müssen. Ein erfolgreicher Angriff kann schwere Auswirkungen auf den Umsatz, den Aktienkurs und die langfristige Marktposition eines Unternehmens haben.
Datenschutz als Business Case
Neben der technischen Seite ist Datenschutz eine rechtliche und vertrauensbildende Komponente. CFOs müssen sicherstellen, dass ihr Unternehmen die geltenden Datenschutzgesetze (DSGVO, etc.) strikt einhält. Dies schützt nicht nur vor teuren Strafen, sondern stärkt auch das Vertrauen der Kunden und Stakeholder. Datenschutz wird hier zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil, da es die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen von Investoren und Kunden stärkt.
Der CFO erlangt Datenhoheit
In unserer digitalen Welt wird ein CFO weiterhin zunehmend zur Schlüsselfigur im globalen Datenmanagement eines Unternehmens. Mit dem Einsatz von digitalen Kernsystemen, ergänzt durch Microservices und Cloud-integrierte Subsysteme, übernimmt der CFO die Verantwortung, Daten sicher und effizient zugänglich zu machen. Neue Technologien wie Automatisierung, Sprachverarbeitung und maschinelles Lernen lösen manuelle Datenprozesse ab und gewährleisten eine präzise Datenverwaltung.
Hierbei muss ein CFO als Data Steward sicherstellen, dass die Governance-Richtlinien eingehalten werden – und dass alle Unternehmensbereiche auf bereinigte, integrierte Daten zugreifen können. Dieser Data Stewardship-Ansatz bedeutet nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine strategische Aufgabe, die sicherstellt, dass die Daten als wertvolle Ressource verstanden und genutzt werden. Mit dieser Aufgabe verschiebt sich die Rolle des CFO weg von rein finanziellen Fragestellungen hin zu einer umfassenden Steuerung der Datenlandschaft und Data Sovereignty im Unternehmen.
Strategische Führung und Change Management
Die digitale Transformation stellt CFOs vor die Aufgabe, weitreichende Änderungen in der gesamten Organisation zu steuern, die über die Implementierung neuer Systeme hinausgehen. Hierbei geht es vor allem darum, veraltete Prozesse zu identifizieren und durch effizientere, technologiegestützte Lösungen zu ersetzen. Dies bedeutet auch, eine Vision für die Digitalisierung zu entwickeln, die klar definiert, wie Technologien den Geschäftserfolg langfristig unterstützen können.
Integration von Systemen und Prozessen
Ein zentraler Punkt ist die Integration unterschiedlicher Systeme, die oft isoliert in verschiedenen Abteilungen arbeiten. Silo-Denken behindert den Informationsfluss und erschwert es, eine konsistente Datengrundlage für Entscheidungen zu schaffen. CFOs müssen daher dafür sorgen, dass ERP-Systeme, CRM-Tools und andere Softwarelösungen miteinander verknüpft werden, um eine ganzheitliche Sicht auf die Unternehmensdaten zu ermöglichen. Dies erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung, bei der Datenkonsistenz und -qualität im Vordergrund stehen.
Ressourcenallokation und Budgetierung
Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Umgestaltung der Budgetierungs- und Ressourcenallokationsprozesse. Traditionelle jährliche Budgetzyklen sind oft zu starr und langsam für die schnelllebigen Anforderungen eines digitalisierten Geschäfts. CFOs müssen flexiblere Budgetierungsmodelle wie rollierende Prognosen (Rolling Forecasts) implementieren, die es ermöglichen, Ressourcen dynamisch an sich ändernde Geschäftsbedingungen anzupassen. Dies erfordert manchmal auch eine kulturelle Veränderung hin zu mehr Flexibilität und Reaktionsfähigkeit innerhalb der Organisation.
CFO als Gestalter:in digitaler Ökosysteme
In der digitalen Transformation geht es für CFOs nicht nur um die Umstellung auf digitale Tools, sondern um die Integration und Verwaltung ganzer digitaler Ökosysteme. Die Verantwortung des CFOs erstreckt sich zunehmend darauf, nicht nur Produkte zu verwalten, sondern ganzheitliche Plattformen und Erlebnisse zu gestalten, die Nutzer:innen und Anbietende zusammenbringen. Diese Plattformen ermöglichen es, neue Umsatzströme und Wertschöpfungsprozesse zu schaffen, die weit über traditionelle Finanzfunktionen hinausgehen.
Ein Beispiel ist die Verwaltung von M&A-Projekten innerhalb dieser Plattformen, bei denen CFOs sicherstellen, dass Investitionen nahtlos in das digitale Ökosystem integriert werden. Auch hier werden datengetriebene Einblicke genutzt, um wertschöpfende strategische Entscheidungen zu treffen, die das Wachstum des gesamten Unternehmens fördern.
Plattformen statt Produkte
Die Zukunft des CFO-Bereichs liegt weniger in der Verwaltung einzelner Produkte und mehr in der Verwaltung von Plattformen, die ein nahtloses Erlebnis bieten. Dies erfordert die Anpassung interner Strukturen, damit die Finanzabteilung nicht nur als Transaktionsorgan, sondern als strategischer Partner innerhalb des gesamten Unternehmens fungiert. CFOs müssen ein agiles Mindset entwickeln, das Flexibilität und kontinuierliche Anpassung an technologische Veränderungen ermöglicht.
Dieser Wandel erfordert auch einen stärkeren Fokus auf agiles Finanzmanagement, bei dem Budgetierungsprozesse, Risikomanagement und Kundenpriorisierung dynamisch gestaltet werden. CFOs sind dabei als Gestalter:innen gefragt, die das digitale Erlebnis der Kund:innen beeinflussen und dabei die langfristige finanzielle Stabilität sichern.
Veränderungsmanagement als Kernaufgabe
CFOs stehen in der Verantwortung, die Transformation nicht nur technisch, sondern auch kulturell zu begleiten. Der CFO muss sicherstellen, dass nicht nur die richtigen digitalen Systeme implementiert werden, sondern dass das gesamte Team die Bedeutung dieser neuen Ökosysteme versteht und anwendet. Der Übergang zu einer digitalisierten Plattformwirtschaft erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen CFO und CEO, um digitale Risiken zu quantifizieren und gleichzeitig operative Flexibilität zu gewährleisten. In diesem Sinne wird der CFO nicht nur zum Hüter der Finanzen, sondern auch zum Treiber von Innovation und Change Management.
Fazit
Die “Finance Transformation” ist gleichermaßen disruptiv für Organisationen als auch für die Rolle von CFOs. Data Sovereignty, Change Management, die Gestaltung digitaler Ökosysteme und Cybersecurity sind alles Themenbereiche, die allein schon eine Herausforderung sind. FP&A ist hierbei der stärkste Verbündete, um strategische Entscheidungen zu unterstützen. Diese Transformation wird Zeit und Unterstützung von involvierten Stakeholdern benötigen.