Überschattet das unerbittliche Streben nach digitaler Kompetenz den eigentlichen Wert des finanziellen Scharfsinns im Finanzsektor? Es ist eine Gratwanderung, bei der die Verlockung der digitalen Kompetenz nicht die Grundprinzipien des Finanzwesens verdrängen darf. Diese Verschmelzung – oder vielleicht auch Reibung – zwischen altem Wissen und neuer Technologie schafft die Voraussetzungen für eine Neukalibrierung der Strategien in der Talent Acquisition.
Das digitale "Talent Gap" im Finanzsektor verstehen
In der Finanzbranche gleicht die Talentlücke verstärkt einem Abgrund. Angesichts des aktuellen technologischen Fortschritts übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem. Gesucht sind qualifizierte Fachkräfte, die sich in dieser neuen digitalen Landschaft zurechtfinden. Wir sprechen hier von einem Bereich, in dem Blockchain, KI und Cybersicherheit nicht nur Schlagworte sind, sondern das Rückgrat der Innovation bilden. Dieses Problem wird durch den Wettbewerb mit anderen Branchen wie IT-, Beratungs- und Fintech-Unternehmen verschärft, die ebenfalls um ähnliche Talentpools konkurrieren.
Bei der digitalen Kompetenzlücke geht es nicht nur um einen Mangel an technischen Fähigkeiten. Es geht um einen Mangel an Fachkräften, die eine Mischung aus finanziellem Scharfsinn und digitalem Geschick verkörpern. Es handelt sich um Personen, die traditionelle Finanzmodelle durch eine digitale Brille betrachten und so Möglichkeiten für Disruption, Effizienz und Wachstum erkennen. Stellen Sie sich einen Finanzanalyst:innen vor, die nicht in Zahlen denken, sondern auch Predictive Analytics verwenden können (oder die Tools kennen), um Markttrends vorherzusagen. Oder einen Compliance Officer, der sich mit der Blockchain-Technologie auskennt und dafür sorgt, dass Transaktionen sicher und im Einklang mit den sich entwickelnden Regulierungen sind. Lesen Sie zum Thema Compliance auch unseren letzten Artikel.
Worauf wir ebenfalls in unserem letzten Artikel hinweisen, ist das strategische Gebot die Weiterbildung (Up- & Reskilling). Machen Sie aus Ihren bestehenden Finanzfachkräften digitale Gelehrte. Unternehmen investieren in L&D- (Learning & Development) sowie Trainingsprogramme, die ihre Teams mit aktuellen digitalen Tools und Denkweisen ausstatten. Denn bei dieser Transformation geht es genauso um einen kulturellen Wandel als auch um eine technologische Aufrüstung.
Letztendlich geht es beim Verstehen und Überbrücken der digitalen Talentlücke in der Finanzbranche darum, über den Lebenslauf hinaus zu sehen. Es geht darum, Potenzial zu erkennen, Wachstum zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem sich digitale Fachkräfte im Finanzbereich entfalten können. Führungskräfte der Finanzbranche suchen jetzt auch nach Menschen, deren besondere Fähigkeiten zukünftige Herausforderungen der Finanzwelt bändigen können.
Als Reaktion darauf werden Unternehmen aus dem Bereich Finanzen und Fintech bei ihren Rekrutierungsstrategien immer kreativer. Sie erweitern ihren Horizont, suchen nach Talenten in verwandten Bereichen, bieten wettbewerbsfähige Angebote und betonen ihre Rolle bei der Förderung sinnvoller Innovationen. Sie konzentrieren sich auch darauf, ihre bestehenden Mitarbeiter weiterzubilden und machen aus erfahrenen Finanzfachkräften durch umfassende Schulungsprogramme geschickte Innovatoren.
Innovative Talent Acquisition Strategien
Stellen Sie sich vor, Sie sind Chefkoch in einer betriebsamen Küche und Ihre Speisekammer ist mit den üblichen Zutaten gefüllt. Und nehmen wir jetzt an, Sie entdecken einen Geheimgang, der zu einem exotischen Markt führt, der seltene Gewürze, einzigartige Aromen und Zutaten zu bieten hat – und diese sind so lebhaft, dass Sie Ihre Küche in ein Kunstwerk verwandeln könnten. Im Finanzsektor, insbesondere in der Fintech-Branche, ist die Suche nach passenden Talenten mit der Entdeckung dieser geheimen Passage vergleichbar. Die Landschaft der Talentakquise hat sich weiterentwickelt, und innovative Strategien sind die neuen Zutaten, mit denen sich Unternehmen in einem überfüllten Markt hervorheben.
Bei innovativen Strategien im Talentmanagement im Finanzsektor und bei Fintechs geht es nicht nur um die Besetzung von Stellen, sondern um die Schaffung von Ökosystemen, in denen einzigartige Talente gedeihen. Unternehmen präsentieren sich heute als gut finanzierte Fintechs, die die Aufregung eines Startups mit der Stabilität der etablierten Finanzbranche verbinden und damit diejenigen anlocken, die das Beste aus beiden Welten vereinen. Diese einzigartige Positionierung spricht Fachkräfte an, die sich nach der Kreativität und Agilität eines Startups sehnen und gleichzeitig die Sicherheit etablierter Finanzinstitute suchen. Es geht darum, eine Unternehmensmarke zu schaffen, die den Ansprüchen der heutigen Arbeitskräfte gerecht wird.
Der britische Konzern Lloyds tat dies bereits im Jahr 2018. Sie bezeichneten sich in Stellenanzeigen als "gut finanziertes Fintech" und schlugen vor, potenzielle Bewerb:innen aus Branchen wie Games, Glücksspiel oder Travel einzustellen. Ganz konkret wurden hier (junge) Influencer angesprochen. Organisationen bieten also nicht nur Jobs an, sondern auch Missionen – die Chance, das Bankwesen für das digitale Zeitalter neu zu definieren. Dieser Ansatz gewinnt an Bedeutung in einer Wettbewerbslandschaft, in der traditionelle Finanzinstitute und Tech-Giganten ebenfalls um den gleichen Talentpool konkurrieren, wobei jeder seine eigene Mischung aus Stabilität, Innovation und Kultur bietet.
Wie wir bereits angesprochen haben, ist “Learning and Development” (L&D) ebenfalls Teil des neuen Talent Managements. Fintechs wenden sich nach innen und konzentrieren sich auf die digitale Weiterbildung ihrer derzeitigen Belegschaft, um sicherzustellen, dass die Talente, die sie bereits haben, mit dem Unternehmen wachsen und der Entwicklung voraus sind.
Unsere Kolleg:innen von PALTRON widmen sich dem Thema Blended Learning, Lernkultur und Learning and Development ausführlich in einer Serie von Artikeln.
Auch externe HR-Profis für die digitale Talentakquise werden zunehmend zur Strategie bei der Beschaffung spezieller oder zukunftsorientierter Fähigkeiten. Ihr Fachwissen und ihre Netzwerke können verborgene Perlen im Talentpool aufspüren und dafür sorgen, dass Unternehmen im Wettbewerb die Nase vorn haben. Und für die schwer zu findenden Stellen ist Remote Work / Offshoring zu einem strategischen Schritt geworden. Weniger nur Gründen der Kosteneffizienz, sondern um Fachkompetenzen auszugleichen und einen globalen Talentpool anzuzapfen. Dieser globale Ansatz diversifiziert nicht nur den Talentpool, sondern bringt auch neue Perspektiven ein, die Innovationen vorantreiben können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Finanzsektor und Fintech-Unternehmen ihre Talentakquisestrategien mit einer Mischung aus interner Weiterbildung, externer Rekrutierung und einer Prise globaler Talentsuche aufpeppen. Mit diesen Strategien werden nicht nur offene Stellen besetzt. Vielmehr werden Unternehmen mit einer diversifizierten und qualifizierten Belegschaft bereichert, die bereit ist, die Herausforderungen des digitalen Zeitalters anzunehmen. So wie exotische Gewürze ein Gericht verändern können, so verändern innovative Strategien zur Talentakquise die Finanzlandschaft und machen sie lebendiger, vielfältiger und schmackhafter als je zuvor.
Die unvergängliche Bedeutung von Employer Branding und der Unternehmenskultur
Employer Branding, insbesondere im Finanzsektor, ist zentral. Diese Branche, die in der Vergangenheit als stabil, aber vielleicht auch ein wenig behäbig galt, muss dringend in den Augen einer Belegschaft glänzen. Denn diese sehnen sich nach Innovation, Diversität, Inklusivität und Sinnhaftigkeit (engl. Purpose). Und ebenso nach Arbeitsplatzsicherheit, finanzieller sowie mentaler Gesundheit. Bei letzterem sprechen wir natürlich vom Employee Wellbeing. In Anbetracht der Tatsache, dass der Finanzsektor im Vergleich zur Dynamik in der IT-, Automobil- und Konsumgüterbranche oft eine geringere Attraktivität aufweist, ist die Herausforderung groß, aber nicht unüberwindbar.
Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungssektor schwenken daher um und weben Geschichten, die ihr Engagement für technologische Innovation und soziale Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) hervorheben. Genauso wie für eine Kultur, die Vielfalt und Inklusion fördert. So wie Lloyd es getan hat. Das sind nicht nur einfache Buzzwords, sondern die Grundlage einer überzeugenden Unternehmensmarke, die direkt die Wünsche einer Generation anspricht, die etwas bewegen will.
Zum Beispiel ein Fintech-Startup, das Blockchain für soziale Zwecke einsetzt, oder eine Bank, die nicht nur ihren Kund:innen finanzielle Stabilität verspricht, sondern auch übermäßig ihre Beschäftigten investiert in puncto Lernen und Entwicklung. Diese Szenarien veranschaulichen das sich entwickelnde Narrativ, das Finanzinstitute entwickeln, um sich als Arbeitgeber:in zu profilieren. Auch hier bietet Ihnen unser Partner PALTRON eine wertvolle Anleitung: In fünf Schritten zum erfolgreichen Employer Branding.
Natürlich müssen den plakativen Worten Taten folgen – die Versprechen und Werte müssen sich in der Unternehmenskultur manifestieren. Wir können den substanziellen Wert einer soliden Unternehmenskultur nicht oft genug bekräftigen. Pflegen Sie Ihre Unternehmenskultur ausreichend? Wie wir bereits in unserem vorherigen Artikel “Talente für Compliance finden und binden“ beschreiben, greifen Unternehmenskultur und Talent Management ineinander. Stichwort: Recruiting Marketing. Ihre Kultur ist die unterschwellige Werbeanzeige, der neue Talente anlockt. Und vor allem auch der soziale Kitt, der die Belegschaft zusammenschweißt und Ihre Mitarbeitenden an Ihr Unternehmen bindet.